Um was geht es in dem Roman „Julia – 1984“?
Julia ist eine clevere junge Frau, die als Mechanikerin ihren Lebensunterhalt bestreitet. Sie lebt in einem totalen Überwachungsstaat, hat aber ihre eigenen Strategien entwickelt, um damit gut zurechtzukommen. Das ändert sich, als sie Winston Smith kennenlernt, ein Mitglied der herrschenden allumfassenden Staatspartei. Er arbeitet im Ministerium für Wahrheit und passt Zeitungsberichte an die derzeit bestimmende Meinung an. In einem Tagebuch hält er seine heimlichen Gefühle fest und Julia verliert mehr und mehr den Halt in einer scheinbar massiv strukturierten Welt. Schließlich wird sie vor eine Entscheidung gestellt, die ihr Leben komplett verändern soll.
Kritik zu dem Buch von Sandra Newman:
Das Erste, was man über „Julia – 1984“ wissen muss, ist, dass es sich um eine Neuerzählung des weltberühmten Romans von George Orwell handelt. Dafür erhielt Sandra Newman die volle Unterstützung des Orwell Estate, um diese feministische Nacherzählung zu schreiben. Natürlich ist es ein Wagnis, sich an dieses legendäre Buch heranzuwagen. Der Text ist hell, klar und ansprechend. Während Orwells Werk in seiner absichtlich düsteren Darstellung staatlich erzwungener Plackerei schwarzweiß erscheint, scheint Newmans „Julia – 1984“ das Gegenstück in Farbe zu sein. Zumal es viele Feinheiten gibt, die der Leser der Erzählung entnehmen kann. Die Beschreibung der „Handlungsmaschinerie“ für Bücher erinnert sofort an Chatbot GPT, ein Thread, der die ursprüngliche Geschichte mit den heutigen Bedenken hinsichtlich KI verbindet.
Der Schwerpunkt liegt natürlich auf der Frage, wie sich die Story verändert, wenn wir den Blick von Winston auf Julia richten, und was können wir lernen, wenn wir dieselbe Geschichte aus einem anderen Zentrum betrachten? Wie könnten wir Julia unterschätzt haben? Diese Version von Julia ist fähig und mutig. Sie schützt ihre Individualität aufs Schärfste vor der Homogenisierung und versteht es, das System zu manipulieren. Man hat den Eindruck, dass es kein Problem gibt, das sie nicht lösen kann, vor dem sie nicht zurückschrecken würde. Sie ist die Hölle auf Rädern in einer Umgebung, die glaubt, dass die Hölle ausgerottet wurde und dass jegliches Feuer und jeder Ehrgeiz aus der Gesellschaft verbannt wurde.
Das Schöne an der Version von Sandra Newman ist, dass die Autorin eine schockierende Anzahl von Menschen einbezieht, die gegen die sektenähnlichen Regeln verstoßen, und jede Menge geheime Aktivitäten aller Art. Dabei wildert sie im Universum von George Orwell, ohne dem Original wehzutun.
Wiederum zieht sie in „Julia – 1984“ subtile Parallelen zur heutigen Zeit und impliziert einen Vergleich der Mitglieder der Inneren Partei mit der Klasse, die uns heute beherrscht. Im Gegensatz verfügt Julia über tatsächliche Fähigkeiten, und sie weiß, wie sie diese zu ihrem Vorteil nutzen kann, wie die Nähe zur Macht ausgenutzt werden kann. Daher gelingt ihr das Kunststück, den Roman erneut zu einer Parabel auf den Überwachungsstaat werden zu lasen lassen.
Sandra Newman bleibt mit ihrem Buch dem Original von George Orwell mehr als treu, und erweitert die ursprüngliche Erzählung auch auf erstaunliche, nachdenkliche und befriedigende Weise. Eine intensive, aber lohnende Ergänzung eines Klassikers der Literaturgeschichte.
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- Buchinfos:
- Serie: –
- Verlag: Eichborn
- Seiten: 448
- Veröffentlichung: 19.10.2023
- Formate: Buch, eBook, Hörbuch
- Buch-ISBN: 9783847901563