Rezension zu „Einen Herbst und einen Winter lang“ von Margit Steinborn

Anmerkung: Der Roman „Einen Herbst und einen Winter lang“ ist der 1. Band der Stadtlichter-Reihe von Margit Steinborn.

Um was geht es in „Einen Herbst und einen Winter lang“?

Ein schwerer Unfall ihres Vaters während der Arbeit sorgt dafür, dass das Leben von Isa vollkommen aus den Fugen gerät. Plötzlich zerbricht all das, was vorher für Regelmäßigkeit und ein einfaches, aber glückliches Leben gesorgt hatte. Gemeinsam mit ihrem Bruder Moritz und Nachbarssohn Viktor begibt sich Isa aus der Not heraus auf Betteltour am Alexanderplatz in einem Berlin, das Anfang des 20. Jahrhunderts von gigantischen Klassenunterschieden geprägt ist. Ein tragischer Zwischenfall führt dazu, dass Isa den Fabrikantensohn Henning Wittmann kennenlernt. Nichtsahnend, dass dessen Vater die Fabrik gehört, die Schuld an ihrem Elend ist, beginnt sie, ihn zu mögen. Sie hofft auf ein Wiedersehen, obwohl sie weiß, dass die Klassenunterschiede die Chance auf ein Minimum schrumpfen lassen. Dass auch er als Spross einer wohlhabenden Familie mit großen Problemen zu kämpfen hat, erscheint Isa lange Zeit unvorstellbar. Der Vorfall mit den Bettelkindern am Alexanderplatz lässt Henning nicht mehr los. Er versucht auf seine Art, ihnen zu helfen. Als sie urplötzlich nicht mehr an gewohnter Stelle auftauchen, macht er sich auf eine lange Suche.

Kritik zu dem Roman von Margit Steinborn:

Margit Steinborn bietet ihren Lesern mit „Einen Herbst und einen Winter lang“ einen sehr interessanten Einblick in den Berliner Alltag, wie er Anfang des 20. Jahrhunderts für viele Menschen tatsächlich aussah. Sie verpackt historische Fakten gekonnt in eine gefühlvolle Geschichte, die unterschiedlichste Emotionen hervorruft. Dass die Autorin sich selbst für ebendiese geschichtliche Epoche von Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts sehr interessiert, wird auch in diesem Roman deutlich. Sie recherchiert vorab genau, um ihren Lesern neben einer fesselnden Handlung auch die gesellschaftlichen Strukturen der damaligen Zeit näherzubringen. Das gelingt ihr auf ihre ganz eigene Art und Weise sehr gut.

In „Einen Herbst und einen Winter lang“, dem Auftakt der Stadtlichter-Reihe von Margit Steinborn lernen sich zwei sehr unterschiedliche Hauptprotagonisten kennen. Beide verkörpern die großen Unterschiede zwischen den Gesellschaftsschichten, zeigen aber gleichzeitig, dass sie füreinander eine enorme Bereicherung darstellen können. Die Schriftstellerin zeichnet ein feinfühliges Porträt beider Kinder und lässt ihre Leser an deren Entwicklungsprozess teilhaben. Sie beschreibt mit sehr lebendigen Worten, wie sie sich in ihrer Welt behaupten müssen und dabei viel zu schnell erwachsen werden. Berlin scheint das perfekte Setting für diese Geschichte zu sein. Die beschriebenen Orte sind den meisten Lesern sicher bekannt, sodass sehr genaue Bilder beim Lesen entstehen.

Die Handlung selbst fesselt von den ersten Seiten an. Es ist wie eine Reise in die Vergangenheit. Margit Steinborn punktet mit ihrem Einfühlungsvermögen und ihrer angenehmen Ausdrucksweise. Es fällt schwer, eine Lesepause einzulegen, denn die flüssige und temporeiche Erzählweise lässt dies einfach nicht zu. Schon jetzt kommt große Vorfreude auf den zweiten Band der Stadtlichter-Reihe auf, der sicherlich mindestens ebenso interessant wird wie der Auftakt „Einen Herbst und einen Winter lang“.

Mein Fazit:

Hauptstadtflair in einer ganz anderen Zeit – so ähnlich könnte ich diesen gelungenen Roman kurz beschreiben. Allerdings bietet er noch weitaus mehr. Wer die damalige Zeit aus zwei völlig unterschiedlichen Perspektiven kennenlernen möchte, sollte zugreifen und den Auftakt der neuen Reihe von Margit Steinborn auf keinen Fall verpassen. Vielleicht betrachten Sie Berlin beim nächsten Besuch mit anderen Augen und wandeln dann auf den Spuren von Isa und Henning.

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