Inhaltsangabe von Colson Whiteheads „Underground Railroad“:
Schwarze sind Tiere. Schlauere Tiere als Vögel, aber dennoch Tiere. Für die Sklavenhalter in den Südstaaten des 19. Jahrhunderts ist das eine nüchterne, beinahe wissenschaftliche Feststellung. Das bekommt auch Cora zu spüren, Sklavin in dritter Generation auf einer Baumwollplantage in Georgia. Ihre Mutter hat sie verlassen, ist geflüchtet; auch Cora wählt diesen Weg. Sie verlässt sich auf die geheimnisvolle „Underground Railroad“, ein Helfer-Netzwerk mit dem vagen, mythischen Versprechen auf Freiheit. Es ist der Weg in eine abenteuerliche Reise voller Gefahren, neuer Verbündeter und neuer Feinde.
Kritik zu „Underground Railroad“ von Colson Whitehead:
Wie tief ist der Rassismus in der amerikanischen Gesellschaft verankert? Colson Whitehead zeigt mit seinem zwar in historischer Umgebung angesiedelten, aber in seiner moralischen Auswirkung ungeheuer aktuellen Roman, dass die Wurzeln sehr, sehr weit zurückliegen. Dabei ist „Underground Railroad“ kein reines Historiendrama. Colson Whitehead biegt die Geschichte, wo es ihm gefällt, und streut echte Begebenheiten ein, wenn sie ihm als Multiplikator seines moralischen Anspruchs dienen.
Doch das macht er so geschickt, dass es für den Leser keine Rolle spielt, dass die wahre Underground Railroad sich nur Metaphern der Eisenbahnwelt bedient hat, mit echten Zügen, Bahnwärtern und Co. aber nur wenig zu tun hatte. Es ist gut, dass Colson Whitehead dieses interessante Kapitel amerikanischer Geschichte als Thema behandelt. Dafür muss man es aber hinnehmen, dass es ihm dabei vor allem um Bildwelten geht, die tiefer gehen als die pure Story und immer wieder Hinweise darauf enthalten, dass der Rassismus noch lange nicht überwunden ist in dieser Gesellschaft.
Whitehead benutzt keine Brechstange für seine Botschaft, er kleidet sie in eine äußerst lesenswerte Romanhandlung. Die fordert stellenweise Mut zu lesen, denn Colson Whitehead erspart dem Leser keine Grausamkeiten. Der Besitzer der Plantage, auf der die Protagonistin Cora aufwächst, ähnelt einer Figur aus einem Film von Quentin Tarantino: Aus reinem Sadismus und Lust an der Qual müssen die Sklaven unvorstellbare Dinge erleiden.
So ist „Underground Railroad“ stellenweise schwer zu ertragen, aber dennoch fabelhaft zu lesen. Für das Werk erhielt der Autor den Pulitzer Preis. Es kann mit Recht als großer Roman, als anspruchsvolle Literatur bezeichnet werden; als ein literarisches Ereignis, das gleichzeitig unterhaltsam ist – in dem Sinne, in dem man einen guten Roman genießen kann, auch wenn das dahinterliegende Grundthema im Grunde abstoßend ist.
Mein Fazit zu dem Roman „Underground Railroad“:
Auch wenn nicht jede Metapher in „Underground Railroad“ gelungen ist – dass sich Cora beispielsweise lange auf einem Dachboden versteckt, wie die reale Sklavin Harriet Jacobs oder wie Anne Frank, erscheint fast zu gewollt – und es im Mittelteil einige kleinen Längen gibt, so ist die allegorische Bildgewalt des Romans doch schlicht gewaltig. Und über all dem ist es ein wunderbar zu lesendes Buch, das den Leser mitfühlen lässt und ihn im besten Sinne packt. Man findet selten einen Roman von solch literarischer Qualität, der es tatsächlich auch versteht, eine Geschichte spannend zu erzählen.
Es ist eine Geschichte, auf die man sich einlassen muss, denn leichte Kost ist „Underground Railroad“ wahrhaftig nicht. Das liegt nicht nur an den teils drastischen Quälereien, denen die Menschen ausgesetzt sind und die sich keinesfalls nur auf körperliche Gewalt beschränken. Es liegt vor allem daran, dass man spürt, wie aktuell das Thema noch immer ist, obwohl seine Ursprünge schon so weit zurückliegen. Dass Colson Whitehead daraus keine exakte Geschichtsstunde macht, sondern sich künstlerische Freiheiten in seiner Geschichte nimmt, mag man ihm verzeihen. Es schmälert sein Werk kein bisschen.
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- Infos über das Buch:
- Serie: Keine
- Verlag: FISCHER
- Seiten: 352
- Veröffentlichung: 21.8.2017
- Formate: Buch, eBook, Hörbuch
- Buch-ISBN: 9783596702534