„Der Dämonenkönig“ ist der zweite Band der auf vier Teile angelegten Comic-Serie „Shi“ von Autor Zidrou und Zeichner Homs. Weil die Graphic Novel nahtlos an Band 1, Am Anfang war die Wut…, anschließt, sollte die Reihe unbedingt von Anfang an gelesen werden.
Um was geht es in SHI Band 2: Der Dämonenkönig?
Sieben Monate nach den Ereignissen im Crystal Palace haben sich die Lebensumstände unserer zwei Heldinnen alles andere als verbessert. Die junge Japanerin Kita muss die teils perversen Wünsche ihrer Freier in einem Londoner Bordell erfüllen. Auch Jennifer, eine Frau aus besseren Verhältnissen, lebt in ihrer ganz eigenen Hölle, denn sie wurde gegen ihren Willen mit ihrem früheren Beichtvater verheiratet. Ihr Ehemann ist ein gewalttätiger Kerl, dem es Vergnügen bereitet, sie zu „bestrafen“, wenn sie ihm nicht gehorcht. Beide Frauen haben allen Grund, ihr Schicksal zu verfluchen. Aber auch gegen die Gesellschaft richtet sich ihr Hass.
Es ist Zeit für die Rache. Und die könnte für einige feine Herren des britischen Empire ziemlich pikant werden. Denn allen viktorianischen Moralgrundsätzen zum Trotz sind diese kaum so edel, wie sie sein sollten. In der Wut der beiden jungen Frauen liegen die Wurzeln für die Terrororganisation „Shi“ in der heutigen Zeit. Hier muss Lionel Barrington damit leben, seine Frau bei einer Explosion verloren zu haben, bei der außerdem sein Sohn ein Bein verlor. Die Organisation „Shi“ gehört bald zu den Verdächtigen, denn Barrington ist Chef einer Rüstungsfirma …
Im zweiten Teil der Comic-Reihe „SHI“ sammeln die Protagonistinnen noch mehr Hass an, der sich eines fernen Tages eindrucksvoll entladen soll. Autor Zidrou legt den beiden ein schweres Schicksal auf, jedoch für diese Zeit keineswegs ein unrealistisches. Und es sind nachvollziehbare Gründe, die Jay und Kita hassen lassen: Die Männer, das gesellschaftliche Korsett, die Umstände, die Moral – sie leiden und die Leser fühlen mit ihnen. Das ist wichtig, denn die Gewaltorgie, die sich auch im zweiten Teil der Reihe entlädt, braucht positive Identifikationsfiguren und ein verständliches Motiv, damit nicht nur die reine Schaulust befriedigt wird.
Gleichzeitig ist „Der Dämonenkönig“ nur ein Teil einer längeren Reise, was vor allem bedeutet, dass wir noch immer nicht sämtliche Hintergründe erfahren, noch nicht alle Rätsel gelöst und noch nicht alle Geheimnisse aufgedeckt werden. Dennoch verschleiert „SHI“ nicht viel, im Gegenteil. Das neunzehnte Jahrhundert wird in seiner ganzen Doppelmoral enthüllt, hinter der sich schmutzige und schamlose Menschen zu verbergen versuchen. Zugleich erhebt sich die Industrialisierung; sie fusst auf der Unterdrückung der Schwachen. Dies sind zumeist Frauen – wie Jennifer und Kita.
Wie schon im ersten Band der Graphic Novel-Reihe „überzeichnet“ José Homs die Charaktere teilweise, lässt sie machmal nahezu grotesk und karikaturhaft erscheinen. Das ist ein Kunstgriff, der die unmoralische Handlungsweise der männlichen Figuren überdeutlich erscheinen lassen soll. Teilweise ist das auch eine Gratwanderung, beispielsweise im Fall von Kurb, dem Londoner Chef der Polizei, der zum wahren Zerrbild eines Menschen wird, der glaubt, im Sinne von Gerechtigkeit zu handeln – und doch das komplette Gegenteil erreicht.
„Der Dämonenkönig“ ist also kein einfacher, leicht zu lesender Comic, was allerdings vor allem im Sinne von „leichter Lektüre“ verstanden werden muss. „SHI“ fordert die Aufmerksamkeit des Lesers. Zidrou springt in der Handlung und in den Zeiten hin und her. Dennoch ist die Graphic Novel spannend und folgt einem roten Faden.
Mein Fazit zu SHI #2: Der Dämonenkönig:
Ungewöhnliche Protagonistinnen, der Fokus auf weibliche Rache und eine weiterhin mysteriöse Geschichte: Auch der zweite Band von „SHI“ vermag zu überzeugen, zu fesseln und zu unterhalten. Eine qualitative Geschichte, die zum Teil herausfordert; und fantastische Zeichnungen, die polarisieren – „Der Dämonenkönig“ ist eine Empfehlung wert.
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Cover und Abbildungen © Splitter-Verlag.
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Produktinfos:
- Verlag: Splitter
- Format: ca. 32,2 cm x 23 cm
- Seiten: 56
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