Um was geht es in „Kaiserwetter in der Gosse“?
Aus der Tabakfabrik in ein Bordell – Minna entscheidet sich für einen Weg, der sie in ein besseres Leben führen soll. Sie träumt von einem Leben umgeben von Adeligen, ohne jedoch zu ahnen, aus welch tiefen Abgründen die adelige Gesellschaft besteht. Sie gerät in ein Milieu, das sie nie wieder loslassen wird. Minna ist selbstbewusst und weiß genau, wohin sie will. Sie weiß, was sie kann und ist sich ihrer Schwächen durchaus bewusst. Aber dass auch der Adel sein Päckchen zu tragen hat, erfährt sie erst, als sie gefangen ist in einem Spiel aus Intrigen und Leidenschaft. Im Jahr 1895 herrscht eine Zeit, in der es für alleinstehende Frauen nur wenige Optionen gibt. Minna geht ihren Weg und arbeitet sich Stück für Stück empor. Als sie der Liebe begegnet, erkennt sie deren Potenzial nicht und kann nicht über ihren Schatten springen.
Kritik zu „Die juten Sitten 2 – Kaiserwetter in der Gosse“:
Anna Basener ist es gelungen, einen authentischen Einblick in die Zeit des deutschen Kaiserreichs zu geben. Sie schildert in ihrer Geschichte tatsächliche historische Gegebenheiten wie zum Beispiel die Kotze-Affäre und knöpft sich das ausschweifende Leben bei Hofe vor. Dabei geht es teils heftig zur Sache.
Hemmungsloses Verhalten, käufliche Liebesdienste und diverse Orgien in der adeligen Gesellschaft stehen im Mittelpunkt dieses Hörspiels. Auch das Jagdschloss Grunewald, das tatsächlich Ort derartiger Zusammenkünfte gewesen sein soll, findet hier Erwähnung.
In „Die juten Sitten 2 – Kaiserwetter in der Gosse“ berichtet Minna 1935 im Alter von 62 Jahren aus ihrem Leben. Sie kehrt gedanklich zurück ins Jahr 1895 und erinnert sich an ihre erste Zeit in der sogenannten Halbwelt. Anna Basener lässt ihr Hörspiel deshalb auf zwei Zeitebenen stattfinden und hat für die Minna auch zwei Sprecherinnen gewählt. Deren hervorragende Qualität und auch die aller anderen Sprecher dieses Hörspiels ist unbedingt hervorzuheben. Sie lassen die Protagonisten lebendig werden und schaffen klare Bilder der einzelnen Personen. Die typische Berliner Schnoddrigkeit sorgt dafür, dass der Hörer die Standesunterschiede zu keiner Zeit vergisst. Dadurch wird der starke Kontrast zwischen Adel und Untergebenen besonders deutlich dargestellt.
Anfangs sind Ausdrucksweise und Direktheit etwas gewöhnungsbedürftig. Aber schnell wird klar, dass es typische Eigenheiten der damaligen Zeit und vor allem des Milieus waren und die Geschichte dadurch ihre Authentizität erhält. Anna Basener betrachtet das Ende des 19. Jahrhunderts aus einer etwas anderen, meist nicht jugendfreien Perspektive. Vor allem Protagonistin Minna zeichnet sich durch eine sehr starke Persönlichkeit aus. Andere begeistern ebenfalls durch sehr interessante Hintergrundgeschichten, die sich erst im Laufe der Zeit zu einem großen Ganzen fügen.
„Kaiserwetter in der Gosse“ baut nicht auf dem ersten Teil „Die juten Sitten“ auf. Dieses Hörspiel kann auf jeden Fall einzeln gehört werden. Während im ersten Teil die Geschichte der Hedi, der Enkelin Minnas, erzählt wird, geht es im zweiten Teil ausschließlich um das Leben der Minna.
Mein Fazit:
Trockener Humor und eine äußerst direkte Ausdrucksweise sind typische Merkmale von „Die juten Sitten 2“. Wer sich damit arrangieren kann, erlebt ein sehr interessantes Hörspiel, das von seinen starken Sprechern lebt. Wie schnell sich das gesellschaftliche Korsett verändern kann, wird am Beispiel der Minna mehr als deutlich dargestellt.
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Anmerkung: Audible weist darauf hin, dass dieser Titel für Hörer unter 18 Jahren nicht geeignet ist.
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