Um was geht es in „Sei still, mein Kind“ von Johanna Holmström?
Vor zwölf Jahren hat Robin Löf ihren Heimatort Vrakören verlassen, nachdem ihr Bruder Lukas unter grauenhaften Umständen ums Leben gekommen ist. In der Zwischenzeit hat sich Robin einen eigenen Alltag aufgebaut und arbeitet als Kinderpsychologin. Mit ihrer Mutter Henrika hat sie seit den damaligen Ereignissen kein Wort mehr gesprochen. Widerwillig kehrt sie jetzt in den reichen Villenort vor den Toren Helsinkis zurück. Doch viel scheint sich hier nicht verändert zu haben. Ihre Mutter reagiert eher apathisch auf Robins Rückkehr und die Bewohner Vrakörens sind nicht unbedingt erfreut darüber, dass Robin wieder da ist. Auch das angrenzende Waldstück übt immer noch eine unheimliche, beinah düstere Stimmung aus. Und dass das alles andere als nur ein Gefühl ist, muss Robin bald am eigenen Leib erkennen. Als sie erst verfolgt und wenig später fast getötet wird, merkt sie, dass hier einiges nicht mit rechten Dingen zugeht. Daher ist sie fest entschlossen, die Wahrheit herauszufinden.
Kritik zu dem Thriller von Johanna Holmström:
Denkt man an Finnland, kommen einem Klischees wie dunkle Herbst- und Winterabende oder eine hohe Alkoholabhängigkeit und eine damit verbundene Selbstmordrate in den Sinn. Sicher sind das nur Stereotypen, doch mit „Sei still, mein Kind“ legt die finnische Autorin Johanna Holmström einen Kriminalroman vor, der hervorragend in das Bild dieser Vorurteile passt. Die gesamte Grundstimmung des Romans ist düster und melancholisch. Zudem ist das Werk kein mitreißender Thriller, sondern erzählt eher gemächlich, aber sich trotzdem steigernd, eine bedrückende Geschichte, die man durch die Augen von Robin erlebt.
Dabei wird der eine oder andere Leser zu Beginn Probleme haben, sich mit der Hauptfigur anzufreunden oder sich gar mit ihr zu identifizieren. Sie hat eine ganz eigene Sichtweise auf die Dinge, was aber für einen hervorragend herausgearbeiteten Charakter spricht. Und mit zunehmender Dauer fällt es dem Leser auch leichter, Robin handeln zu verstehen. Etwas komplexer ist ihre Mutter Henrika, die man schwerer einordnen kann. Ist sie wirklich nur durch den Verlust ihres Sohnes traumatisiert oder weiß sie mehr? Spätestens jetzt ahnt man, dass in Vrakören nicht alles Gold ist, was glänzt. Trotz der wohlhabenden Bewohner scheinen alle, auch die Kinder von einem angstvollen Gefühl heimgesucht zu werden. Gleichermaßen gilt hier, dass die Figuren hervorragend herausgearbeitet wurden.
Genau das zu entdecken, was den Bürgern solche Angst bereitet, ist der Reiz von „Sei still, mein Kind“. Leider lässt Johanna Holmström viele Szenen ausufern. Natürlich wird dadurch die Tristesse des Ortes besonders anschaulich dargelegt, und selbstverständlich wird das Kopfkino weiter angeregt. Doch erfahrungsgemäß geht das oft zu Lasten des Lesetempos und genau das passiert hier, sodass viele der fein gesponnenen Intrigen nicht ihre gesamte Wirkung entfalten können, weil man immer wieder geneigt ist, manche Seiten vorzublättern.
Mein Fazit:
Mit „Sei still, mein Kind“ bekommt man einen düsteren, sehr atmosphärischen Krimi, der durchaus seine starken Momente hat. Johanna Holmström besitzt, insbesondere was die Ausarbeitung von Figuren angeht, ein mehr als glückliches Händchen, da ihre Protagonisten allesamt überaus komplex sind. Leider mindern die oft sehr schleppende Erzählweise ein wenig den Lesespaß, sodass man insgesamt eine Empfehlung mit kleinen Abstrichen aussprechen kann.
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- Buchinfos:
- Serie: Keine
- Verlag: Ullstein
- Seiten: 464
- Veröffentlichung: 2.8.2021
- Formate: Buch, eBook
- Buch-ISBN: 9783548062204