Um was geht es in „Der Fall Melchior Nikoleit“ von Max Annas?
Jena im Jahr 1985. Die Punkszene schwappt in die DDR und fasziniert auch hier junge Leute, die sich nach Freiheit und Eigenständigkeit sehen. Melchior, Sohle, Biber und Julia haben eine Band namens Erntezeit gegründet und wollen damit die in ihren Augen verstaubte Musikszene des real existierenden Sozialismus aufräumen. Doch dazu kommt es nicht. Von ihrem zuständigen Kulturbeauftragten bekommen sie keine Auftrittserlaubnis. Hinzu kommt der überraschende Tod von Melchior. Otto Castrup von der Morduntersuchungskommission bekommt den Auftrag, den Mordfall zu untersuchen. Zumal Melchiors Vater ein Geschäftsmann ist, der weitreichende Kontakte in den Westen hat. Liegt hier womöglich das Motiv für die nicht zu verstehende Tat?
Kritik zu dem Buch von Max Annas:
Nach seinem hochgelobten ersten Roman „Der Fall Teo Macamo“ legt Max Annas mit „Der Fall Melchior Nikoleit“ den zweiten Krimi seiner auf vier Bände angelegten Reihe um die Morduntersuchungskommission in Jena vor. Mit Otto Castrup hat er dabei einen Protagonisten erschaffen, der bereits eine interessante Wandlung hinter sich hat. War er im ersten Fall noch ein überzeugter Volkspolizist, plagen ihn familiäre Probleme und er spricht dem Alkohol mehr zu, als ihm guttut. Hinzu kommt, dass ihm der Fall Melchior Nikoleit Kopfschmerzen bereitet. Wer sollte ein Motiv haben, den Jungen umzubringen?
Einmal mehr zeigt sich, dass Max Annas ein hervorragendes Gespür dafür besitzt, die Nuancen des täglichen Lebens in der DDR einzufangen. Da ist auf der einen Seite der Staat, der seine Bewohner beschützen will, und da ist auf der anderen Seite die Frage, ob dieser Schutz wirklich so weit geht, einen jungen Mann nur wegen seiner westlich angehauchten Musik zu töten. Nicht zuletzt die Tatsache, dass es in der DDR offiziell keine Verbrechen gab, gibt der Story eine besondere Brisanz.
Max Annas gelingt es ausgezeichnet, in „Der Fall Melchior Nikoleit“ die Polizeiarbeit der DDR authentisch und anschaulich darzustellen. Hier zeigt sich, dass Anspruch und Unterhaltung keine sich abstoßenden Pole sein müssen. Die Suche nach dem Mörder gestaltet sich für Otto Castrup relativ schwierig, da es immer wieder neue Besonderheiten und Verdächtige gibt. Da ist Gorbatschow, der in der UdSSR an der Macht ist und dessen Politik sich natürlich auch beim sozialistischen Bruder bemerkbar macht.
Das ist ein NVA-Major mit zwielichtiger Vergangenheit und da sind einige Prügler, die mehr als ein Vergehen in ihrer Akte zu stehen haben. Kein leichtes Geflecht, dass Otto Castrup entwirren muss und das von Max Annas sehr gekonnt aufgebaut wird. Natürlich ist eine solche Geschichte immer mit Politik verbunden. Der Autor schafft es, die Machtverhältnisse in der DDR darzustellen und den Punks, die einen naiven, fast aussichtslosen Widerstand geleistet haben, eine starke Stimme zu geben.
Mein Fazit zu dem Kriminalroman:
Mit „Der Fall Melchior Nikoleit“ hat der Schriftsteller einen Roman veröffentlicht, der gleichermaßen zeitgeschichtliches Dokument wie auch spannender Krimi ist. Die Frage, warum der junge Punk sterben musste, wird am Ende etwas grobmaschig beantwortet, sodass man das Gefühl hat, dass der nächste Roman der Morduntersuchungskommission direkt an diesen Krimi anschließen wird. Doch das ist auch der einzige Makel einer ansonsten hervorragenden Geschichte.
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- Infos über das Buch:
- Serie: Mordunters.Kommission 2
- Verlag: Rowohlt
- Seiten: 336
- Veröffentlichung: 21.7.2020
- Formate: Buch, eBook, Hörbuch
- Buch-ISBN: 9783499001765