Um was geht es in Michaela Küppers „Kaltenbruch“?
1954 geschieht in Kaltenbruch, einem kleinen Dorf im Rheinland, ein heimtückischer Mord. Der Düsseldorfer Kommissar Peter Hoffmann soll ihn aufklären – was zunächst nicht schwer erscheint: Der dorfbekannte Kneipenschläger ist blutüberströmt am Tatort zu finden. Allerdings ist alles viel komplizierter, und es bleibt nicht bei einem Verdächtigen. Hoffmann gerät in das Gewirr einer Dorfgemeinschaft, die noch reichlich Traumata aus dem Krieg mit sich herumträgt, mit vielen unterschiedlichen Charakteren, die dem Kommissar ebensoviele Rätsel aufgeben wie der Mordfall.
Kritik zu dem Roman „Kaltenbruch“ von Michaela Küpper:
„Kaltenbruch“ ist mehr als ein Krimi – und gleichzeitig weniger. Das mag verwirrend klingen, aber wie so oft ist auch die Betrachtung dieses Romans von Michaela Küpper eine Frage der Perspektive. In der Tat ist „Kaltenbruch“ nicht als Krimi betitelt, wird aber vielfach so wahrgenommen. Das ist nicht verwunderlich, dreht sich der Plot schließlich um einen Mord, den die Hauptfigur – ein Kommissar – lösen muss. Das allerdings ist nur eine mögliche Betrachtungsweise, tatsächlich geht es in „Kaltenbruch“ auch sehr viel um den Krieg und seine Nachwirkungen. Um Geschichte also, Zeitgeschichte, eingefangen in der Nachkriegszeit, mit Rückblicken auf den erst wenige Jahre vergangenen Zweiten Weltkrieg.
Es ist eine gute, eine interessante Story, die Michaela Küpper hier erzählt. Sie nutzt den Kriminalfall quasi als Vehikel für ihre Geschichte, die sich damit letzen Endes als eine Art Porträt jener Zeit entpuppt, hier exemplarisch am Beispiel eines Provinznestes und seiner Bewohner. Die werden gleich zu Beginn ausführlich vorgestellt, was auch durchaus seine Längen hat. Relevant sind hier insbesondere die Ost-Flüchtlinge mit ihrer ganz eigenen, kaum positiv besetzten Stellung im Dorf. Was die Dynamik zwischen den handelnden Figuren angeht, kann man Michaela Küpper nur Lob aussprechen. Auch der Protagonist, also Kommissar Hoffmann, funktioniert sehr gut. Seine arrogante, überhebliche Art wirkt authentisch – ein erfrischender Typ, sowohl für die 50er Jahre als auch für den Krimi an sich. Schön sind auch die wechselnden Erzählperspektiven, die ganz unterschiedliche Stimmen zu Wort kommen lassen und ein recht emotionales Miterleben mit einzelnen Personen erlauben.
Leider gibt es trotz allem Stellen, die in diesem Roman nicht ganz gefallen wollen. Oftmals zieht sich die Handlung, das Tempo wird gedrosselt, der Schwung fehlt. 386 Seiten mögen nicht unheimlich viel erscheinen, doch hätten einige Seiten weniger sicher nicht geschadet – im Gegenteil, etwas Straffung hätte die Story noch um einiges spannender gemacht.
Mein Fazit zu dem Buch „Kaltenbruch“:
Wo auch immer „Kaltenbruch“ mit dem Krimi-Etikett beworben wird, sollten LeserInnen darauf gefasst sein, hier im Grunde etwas anderes zu bekommen. Mehr als ein Krimi ist der Roman in dem Sinne, weil er eben nicht nur eine Krimihandlung erzählt, sondern diese in einen zeitgeschichtlichen Hintergrund verpackt, um den es eigentlich geht. Weniger als ein Krimi ist er, weil die Autorin das Spannungselement hauptsächlich der Unterhaltung wegen einbaut; nicht, weil sie vorrangig eine Kriminalhandlung erzählen will.
„Kaltenbruch“ ist bisweilen bedrückend und an vielen Stellen realistisch; immer wieder werden reale historische Ereignisse einbezogen und in einen Kontext gesetzt. Der Roman ist aber auch – leider, muss man sagen – stellenweise etwas zu langatmig, zu wenig straff und zu wenig fokussiert darauf, was er eigentlich sein möchte. Dennoch insgesamt ein durchaus lesenswertes Buch mit einem interessanten Protagonisten.
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